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Sinking Villages - Manila Bay 🇵🇭

Multimedia-Reportage von Hartmut Schwarzbach

gefördert vom Kulturwerk der VG Bild-Kunst

Nördlich der Hauptstadt in der Bucht von Manila liegt die Insel

Binuangan. Die 5000 Einwohner leben ausschließlich vom Fischfang und der Fischzucht.

Ihre Zukunft ist durch den Klimawandel mit steigendem Meeresspiegel, dem Plastikmüll und dem Bau des neuen Großflughafens Manila International Airport mitten im Meer bedroht.



Der Muzon River ist die Lebensader der Insel - Wassertaxis verbinden die Dörfer mit dem Festland in Bulakan

Die Fanggründe der Fischer liegen vor der Haustür. Mit ihren traditionellen Bangka-Booten fischen sie meist in der Bucht von Manila.

Längst ist die wirtschaftliche Krise bedingt durch den Krieg in der Ukraine auch bei den philippinischen Fischern angekommen. Wegen des hohen Dieselpreises sind die täglichen Fangfahrten in der Bucht von Manila kaum noch rentabel. „It´s gambling now! Wie bei einer Lotterie. Manchmal gewinnen wir und immer öfter verlieren wir,“ sagt Kapitän Jay R.Concepcion (44) von der Insel Binuangan, der eine elfköpfige Crew auf dem Fischtrawler Nanay-Tita beschäftigt.

Früher haben wir 7.500 Pesos für eine Tour bezahlt, jetzt kostet es 15.000 Pesos (knapp 300 Euro). Gefangen wird mit Schleppnetzen, an Bord sortiert die Mannschaft den Fisch und die Meerestiere nach Art und Größe in Handarbeit, sogenanntes Small Scale Commercial Fishing für heimische Märkte. Zu Schaffen macht den Fischern auch der Klimawandel mit steigendem Meeresspiegel und der Plastikmüll. Außerdem wird vor Binuangan Island der neue Großflughafen Manila International Airport ins Meer gebaut. Die Fischer fürchten um ihre Lizenzen aufgrund einer Sicherheitszone um den neuen Airport herum.

Am Tag der Fotoaufnahmen durch den Fotografen war der Fang übrigens gut: Nach Abzug der Betriebskosten blieb ein Gewinn von 2.700 Pesos, der durch zwölf geteilt wurde, gerade mal 225 Pesos oder vier Euro pro Kopf für den Arbeitstag auf See. Die philippinischen Fischer halten zusammen und meistern die Krise als Kollektiv. Jeder bekommt den gleichen Lohn, vom Kapitän bis zum Helfer.



"Fishing is like gambling these days", Kapitän Jay R.Concepcion

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Fischer Almer Jay Plareja säubert und kontrolliert die Krabbenkäfige vor Binuangan Island. Bevor er an den Fang herankommt, fischt er kiloweise Plastikmüll aus den Netzen. Der Fischer arbeitet als Angestellter und teilt sich den Ertrag mit dem Besitzer des Krabbenkäfigs. An guten Tagen kann er den Fang für 700 Pesos auf dem Fischmarkt von Obando verkaufen. Die Lampen locken Krabben und Shrimps an.

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Krabbenfischer Roberto Do Juat (59) befreit seinen Krabbenkäfige vor Binuangan Island vom Plastikmüll. Seit nunmehr zwanzig Jahren muss er diese Extraschicht einlegen bevor er an den Fang herankommt. Auch Garnelen schwimmen in den Käfig. Die Meeresfrüchte verkauft er auf dem Fischmarkt von Obando.



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Knochenarbeit im Slum

In ihrer kleinen Wohnung im Armenviertel und Slum von Binuangan Island öffnen Dolly Juat (39) und Tochter Dollyrick (14) Austern mit einem Küchenmesser, wegen der harten und scharfkantigen Schale geschützt von Arbeitshandschuhen. Ein Viertel der Menschen auf den Philippinen lebt in Armut, viele Familien kommen nur über die Runden, wenn Kinder und Jugendliche wie Dollyrick ihren Eltern helfen, auch wenn die Arbeit wie hier gefährlich ist.

Die Pazifische Auster filtert pro Tag rund 240 Liter Wasser und ist ökologisch sehr wertvoll. Im flachen Tidengewässer der Bucht von Manila wird sie in Austernfarmen gezüchtet und verbessert durch ihre Schadstoffaufnahme die Wasserqualität.

Fischerfamilie Baldomero - Leben unterhalb der Armutsgrenze

Fischerfamilie Baldomero wohnt in einem Pfahlhaus in Salambao bei Binuangan Island in der Bucht von Manila inmitten im Meer. Früher war hier mal ein blühendes Dorf mit Strassen und einem Basketballfeld, die Familie hatte einen Garten mit Papaya Pflanzen, aber die Deiche wurden durch den Taifun Pedring 2011 zerstört. Die Familie überlebte im Evakuierungszentrum auf dem Festland, doch als sie wieder zu ihrem Haus kamen, war das Land verschwunden und von Wasser umgeben.

Vater Armando emigrierte von der Insel Romblon in den Großraum Manila wegen seiner Frau Rachel, aber auch weil er in der Provinz kein Einkommen hatte. Als Fischer kann man dort nichts verdienen, weil die Leute ihren Fisch selbst fangen. In Obando gibt es einen Fischmarkt, der als Umschlagplatz für Restaurants bekannt ist.

Vater und Sohn beim Fischen

Armando fängt Bangus Milkfish, der aus den Fischfarmen ausbüxt. Offensichtlich ist das wenig lukrativ, denn er kann sich nicht einmal ein eigenes Fischernetz leisten, er hat eines von den Behörden bekommen.

Zum Abendessen gibt es Reis und Sardinen aus der Dose, weil die billiger sind als der frisch gefangene Fisch, den der Vater auf dem Markt verkauft. Die Familie lebt von der Hand in den Mund, die Kinder blicken in eine düstere Zukunft. Fischer gehören zu den Ärmsten der Armen auf den Philippinen.

Island Hopping für den Lieben Gott

Der katholische Priester Rev.Fr.Ehersey Giovanni D.Sulit von der Pfarrei Nuestra Señora de Salambao Mission Parish besucht einmal pro Woche die kleinen Nachbarinseln, um die Messe zu feiern. Für die Bewohner und Kinder eine willkommene Abwechslung. Die meisten Fischerfamilien sind streng katholisch und praktizieren ihren Glauben sehr innig.

Palmsonntagsprozession auf Binuangan Island

Sitio Pariahan - Dem Untergang geweiht

Sitio Pariahan war das erste Dorf in Bulakan in der Bucht von Manila, das völlig unter Wasser stand. Ursache war der Taifun Pedring 2011, der die Deichanlagen zerstörte. Auch wegen der massiven Entnahme des Grundwassers für die Fischzucht sank der Boden um vier bis fünf Zentimeter im Jahr. Die markante katholische Dorfkirche St.Cruz wurde zum Symbol des Untergangs. Sie liegt im Zentrum der Großbaustelle New Manila International Airport im Sperrgebiet und ist nicht mehr zu erreichen. Alle Bewohner sind auf das Festland umgesiedelt worden. Die Fläche wird mit Spülsand und Füllmaterial zu einer künstlichen Insel aufgeschüttet. In ein paar Jahren sollen hier die Passagiermaschinen der internationalen Fluggesellschaften starten und landen. Vom einst blühenden Dorf Sitio Pariahan bleiben nur noch die Erinnerungen der Bewohner und Bilder der Fotografen.

Fotograf Hartmut Schwarzbach hat das Dorf kurz vor dem Lockdown der Corona Pandemie im Januar 2000 besuchen können. Alle anderen Bilder dieser Multimedia Reportage sind von März bis Juli 2022 entstanden.

Reste der Grundschule von Sitio Pariahan

Die St.Cruz Kirche von Sitio Pariahan ist zum Symbol für den Untergang einer ganzen Region geworden. Das Gotteshaus wurde 1984 erbaut und nach dem Schutzpatron Heiliges Kreuz benannt.

Der Hamburger Fotograf Hartmut Schwarzbach berichtet sein zwanzig Jahren von den Philippinen, meist aus den Slums und Armenvierteln des Landes mit dem besonderen Fokus auf Kinderrechte und Kinderarbeit. Sein langjähriger Guide und Freund Lawrence Geronimo assistiert, dolmetscht und sorgt für die nötige Sicherheit vor Ort. Ohne ihn wären die Dokumentationen in dieser Nähe zu den Menschen nicht möglich. Bei dieser Reportage im Norden Manilas steht der Klimawandel im Blickpunkt mit den Gefahren und Auswirkungen für die Bewohner. Die Arbeit wurde von der Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst gefördert.

Die Bilder und Reportagen des Fotografen wurden mehrfach international ausgezeichnet und prämiert, u.a. mit dem UNICEF Foto des Jahres, CEWE Photo Award, UNEP International Competition of the Environment, etc.