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Drogenkrieg auf den Philippinen - Kollateralschaden Kind

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Titel und Einleitung

„Kung may mamatay? Sorry. Collateral damage ka.“
„If somebody gets killed. Sorry. You’re collateral damage.“
„Wenn jemand stirbt. Tut mir Leid! Dann bist du ein Kollateralschaden.“
President Rodrigo Duterte am Freitag, den 18.August 2017




gefördert vom Kulturwerk der VG Bild-Kunst 2017-2020







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Schockierend war Dutertes Vergleich mit dem Holocaust zu Beginn seiner Amtszeit: „Hitler hat drei* Millionen Juden massakriert. Nun, es gibt (hier) drei Millionen Drogenabhängige. Ich würde sie gerne abschlachten“. (Anm.*im Holocaust starben sechs Millionen Juden).




Im Drogenkrieg des Präsidenten Rodrigo Duterte starben seit seinem Amtsantritt am 30.Juni 2016 mehrere Tausend Menschen, je nach Quelle wird die Zahl der Toten von 6.000 bis 27.000 angegeben. Fast alle Opfer stammen aus den Armenvierteln und sind kleine Drogendealer oder Konsumenten. Mindestens 29 Kinder wurden bei den Aktionen direkt erschossen, ebenso etliche Nachbarn oder Freunde, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Von den großen Drogenbossen, die das Land mit Shabu (so wird hier Crystal Meth genannt) überschwemmen wurde kaum einer gefasst. Ein Ende des staatlich verordneten Massenmordes ist nicht in Sicht.
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Opferfamilien 01

Im Stadtteil Tondo am Hafen von Manila leben 70.000 Einwohner pro Quadratkilometer, viele in den Todeszonen am Meer. Der größte Slum der Philippinen ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Ein eigenes Auto kann sich hier niemand leisten. Deshalb fahren die Leute mit Moped- oder Fahrradrikschas, die hier Tricicle und Pedicap genannt werden. Nachts ist es gefährlich, einer der Pedicap Fahrer geriet in die Schusslinie der Drogenjagd. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort.



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Der Pedicap Fahrer Luciano Lucena (42) schlief nachts in seinem Fahrradtaxi in der Herbosa Street und wartete auf Kunden. Plötzlich wurde er von Schüssen geweckt, sprang auf, wollte reflexartig einen flüchtenden Mann festhalten. So geriet er zwischen die Fronten der vermummten Killer und wurde er selbst erschossen. Das berichteten Augenzeugen der Großmutter, die mit ihren Enkelkindern zum Tatort rannte. Sie sahen ihren toten Vater und Sohn blutüberströmt auf der Straße liegen, doch die SOKO der Polizei hinderte sie daran, hinter die gelb markierte Absperrung in seine Nähe zu gehen. „Ja, das ist mein Sohn“, beantwortet Dolores Flores Lucena (75) die Fragen der Polizei, „mit Drogen hat er nichts zu tun!“.













Ein paar Tage später entdeckte Tochter Rachel das Foto ihres toten Vaters auf Facebook gepostet. Großmutter Dolores kümmert sich schon lange um die Kinder, denn Mutter Raquel starb schon 2009 an Brustkrebs. Für die Bestattung lieh sich die Familie 35.000 Pesos (ca. 600 Euro) von einer Tante aus den USA.
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Das Killerkommando der vier Männer auf zwei Motorrädern kam am 27.Februar 2019 zwischen fünf und sechs Uhr nachmittags. Der Familienvater Nonelito Abay hatte sich nach einem langen Arbeitstag vor sein Haus gesetzt und mit seiner fünfjährigen Tochter Necole gespielt. Der Barangay Police Safety Officer hatte morgens noch Hilfsgüter an Opfer eines Feuers verteilt. Einer der nicht vermummten Motorradfahrer fragte ihn: „Are you Nonelito Abay?“ Dann fielen sieben Schüsse aus einer 45mm Kaliber Pistole. Nonelito war auf der Stelle tot.

Seine Frau Merlita und ihre fünf Töchter Necole(5), Irene(14), Irish(17), Shein Therese(19), Mae Dianne(20) und Sohn Clifford(24) haben nicht den Hauch einer Ahnung über das Motiv der Täter. Sie sind fassungslos und können sich den Tod des Familienvaters nicht erklären. Allerdings ist der Stadtteil Talisay im Süden von Cebu City schon lange ein bekannter Hot Spot für Drogen auf den Philippinen und der Tanod Police Chef war aktiv im Kampf gegen Dealer beteiligt. Im Jahr 2018 als hier noch Shabu öffentlich auf der Straße verkauft wurde, forderte Präsident Duterte ein härteres Vorgehen von der Polizei, dann eskalierte der Krieg mit den Drogensyndikaten. Nonelito Abay ist nur einer von vielen erschossenen Polizisten. Er wurde am 10.März 2019 auf dem Cansogong Friedhof beigesetzt.
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Das Foto rechts zeigt Tochter Necole mit dem Bild ihres Vaters.
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Das Schicksal der jungen Mutter Julieta Algoso ist besonders tragisch: Nach einer Kindheit im Müll und dem Abbruch der Grundschule an der Inayawan Dumpsite bekam sie als 16jährige Teenagerin ihr erstes Kind von einem deutschen Mann, doch der ließ sie mit dem Jungen allein und verschwand. Mit ihrem zweiten philippinischen Ehemann bekam sie daraufhin vier weitere Kinder, aber der Mann landete wegen Raub im Gefängnis, so dass sie plötzlich allein fünf Kinder versorgen musste. In ihrer Not prostituierte sie sich und landete im Rotlichtmilieu von Downtown Cebu zwischen Drogendealern und Kriminellen. Sie bekam HIV und konnte sich nicht mehr um ihre Kinder kümmern. Am 29.12.2016 um 23.00h wurde sie neben einem Stundenhotel auf der Straße erschossen, gerade einmal dreißig Jahre jung. Der Junge lebt bei seiner Tante, die anderen vier Kinder kamen in ein Waisenhaus der Stadt.

Das Bild zeigt Christian(14) am Grab seiner Mutter auf dem Calamba Friedhof.
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Die zweitgrößte Müllhalde des Landes bietet vielen Familien ein Einkommen. Die Scavenger sammeln Plastik, Metall und Papier und verkaufen es an Recycling-Händler. Doch das Einkommen reicht nicht, um eine Familie zu ernähren. So müssen auch viele Kinder mit anpacken und arbeiten. Wer hier geboren wird, hat kaum eine Chance auf ein besseres Leben und dem Kreislauf er Armut zu entgehen. Viele Menschen können sich nur eine Mahlzeit am Tag leisten, Drogen sind billig und mit Shabu ist der Hunger für ein paar Stunden verschwunden.
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Hinrichtungen durch Polizeigewalt

Version aus dem Polizeireport:
Am Morgen des 29.Juni um 07:40h kam es bei einer sogenannten Buy-Bust Operation der Polizei in der Pines Street im Stadtteil Salvador, Barangay San Jose zu einem Schusswechsel, bei dem der Hauptverdächtige Drogendealer Renato „Kato“ Dolorfina seine dreijährige Tochter Myca als menschliches Schutzschild benutzte. Polizei Sergeant Conrado Cabigao kam undercover in Zivil mit zwei Kollegen in das Haus, um vorgetäuscht Drogen zu kaufen. Dabei erkannte Renato Dolorfinas Komplize Cabigao als Polizisten und eröffnete das Feuer. Bei dem Schusswechsel soll Dolorfina seine Tochter als menschliches Schutzschild benutzt haben. Das Mädchen wurde am Kopf getroffen und verstarb am nächsten Tag im Krankenhaus, Dolorfina und sein Komplize waren auf der Stelle tot, der Polizist verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus.

An der Version der Polizei gibt es erheblichen Zweifel und viele Ungereimtheiten. Der Polizeichef von Rodriguez Rizal wurde suspendiert, gegen die beteiligten Polizisten läuft ein Gerichtsverfahren wegen Mord.
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Die Trauerfeier hält der katholische Priester und Aktivist Flavie Villanueva am 9.Juli 2019 in Rizal Rodriguez im Haus einer Tante.
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Myca Ulpina wurde am 9.Juli 2019 im Forest Lawn Memorial Park beigesetzt. Die Trauerfeier leitete der katholische Priester Flavie Villanueva und  stand unter großem öffentlichen Interesse der philippinischen Medien, die ausführlich über den Fall berichteten. Die Mutter wurde daraufhin zum Schutz vor Vergeltung an einen geheimen Ort in eine Einrichtung der katholischen Kirche gebracht.

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Djastin Lopez wurde am 18.05.2017 um 18.30 Uhr auf den Gleisen der stillgelegten Eisenbahnstrecke Tutuban-Bulacan erschossen. Hingerichtet muss man wohl besser sagen, denn nach dem Polizeireport ist sein Körper von sechs Kugeln durchsiebt worden. Augenzeugen berichten, der 25jährige erlitt einen epileptischen Anfall und bettelte um sein Leben. Er war ein sogenannter „Runner“, also ein kleiner Drogenkurier im Slum. Er stand auf keiner Liste, war aber am ganzen Körper tätowiert, und das reichte den zwanzig Polizisten bei dieser Buy-Bust-Operation als Indiz. Möglicherweise kannte er, wie so viele andere Drogenkonsumenten auch, einen zum Kartell zugehörigen Polizisten. Am Bahnübergang der Hermosa Street wartete schon der Bestatter mit dem Leichenwagen, der den Polizisten 10.000 Pesos (ca.200 Euro) für die Leiche bar in die Hand drückte. Die wiederum teilten das Geld untereinander auf, ein lohnender Zuverdienst. So ging das jede Nacht in diesen Barangay-Vierteln in Caloocan.
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Mutter Normita Lopez fordert für den kaltblütigen
Mord an ihrem Sohn Gerechtigkeit. Die mutige Frau
schloss sich der Widerstandsbewegung Rise up for Life
an und kämpft nun auf gerichtlichem Weg um Vergeltung. In einem Land, in dem der Rechtsstaat in vielen Teilen außer Kraft ist, ein lebensgefährlicher Weg, aber das ist ihr egal.
„Ich möchte den Polizisten im Gefängnis sehen!“,
sagt sie am Grab ihres Sohnes auf dem Friedhof North Cemetery.
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In der warmen Tropennacht auf den 5.Oktober 2016 um ein Uhr morgens wusch Mutter Lovely die Wäsche der Familie draußen vor der Slumhütte aus Holz und Planen. Plötzlich standen drei Männer mit Motorradhelmen und vermummten Gesichtsschutz vor ihr und fragten nach ihrem Mann. „Wo ist Bryan?“ „Drinnen“, antwortete Lovely kurz, denn die Männer waren freundlich und ihre Stimmen klangen sympathisch. „Wohl Freunde meines Mannes“, dachte die Mutter. Die Männer gingen hinein und fragten: „Bist du Bryan?“ Dann fielen zwei Schüsse, die Mörder rannten davon. Der Familienvater wurde mit Kopfschüssen kaltblütig ermordet, mit seiner schlafenden siebenjährigen Tochter Princess Mae im Arm. Sie bekam von dem Mord zunächst nichts mit, denn die Mörder verwendeten einen Schalldämpfer. Mutter Lovely fand ihren toten Mann mit der schlafenden Tochter im Arm im Schlafzimmer der Slumhütte.  Bryan Jumag wurde 23 Jahre alt, schlug sich als Gemüseverkäufer auf dem Markt durch. Das Geld reichte hinten und vorne nicht, er nahm Drogen und wahrscheinlich dealte er auch, dann kam er ins Gefängnis. Drei Wochen nach seiner Entlassung war er tot, die Polizei kannte seine Adresse. Er hinterließ seine schwangere Frau Lovely Alferez(32), Sohn Jhon Riven(12), Tochter Princess Mae(7) und Tochter Faith Marei (2).
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Witwe Lovely am Grab ihres Mannes. Für die Beerdigung mußte sie sich Geld leihen und auch das Grab kostet sie 5000 Pesos für fünf Jahre, ca.100 Euro. Geld das sie nicht hat. Die Familie ist auf die Hilfe von Nachbarn und Verwandten angewiesen.







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Nächtliche Jagd nach Drogen

Erfolgserlebinis fuer die PDEA Philippine Drug Enforcement Agency im Kampf gegen Drogen. In einem als Depot dienenden abgestellten Mitsubishi Lancer Auto in der Tangali Street im Stadtteil San Jose fanden die Polizisten 20 Kilo Shabu, Crstal Meth im Wert von 100 Millionen Pesos, ca. zwei Millionen Euro. Der Verdacht fällt auf einen chinesischen Drogenkönig und Drug Lord.
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Widerstand von Menschenrechtlern

Die vermummten Mörder kamen um Mitternacht, schlugen die Holztür der Slumhütte auf und rissen Familie Peregrimo aus dem Schlaf. Sieben Kugeln für die Mutter, elf für den Vater. „Bitte erschießt mich nicht, ich habe sieben Kinder“, flehte Mutter Vivian noch, doch die Killer kannten keine Gnade und durchsiebten die Frau mit ihren Pistolen, alles vor den Augen der Kinder. Tochter Linda(12) nahm den Kopf ihrer blutüberströmten Mutter in den Arm und weinte: „Mama, Mama.“ „Shut up!“ schrien die Mörder, „wenn du nicht aufhörst zu schreien, erschießen wir dich auch!“ Dann verschwanden die Killer unerkannt im Dunkel der Nacht.
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Linda und ihr achtjähriger Bruden Alden sind bei ihrer Tante untergekommen. Zusammengekauert sitzt Linda auf dem Sofa und vergräbt ihr Gesicht in den Händen. Sie macht sich Vorwürfe, denn sie hat ein paar Tage vor dem Überfall mitbekommen, wie ein paar Männer das Haus der Familie observiert haben. „Ich hätte meine Eltern warnen sollen! Wir wussten ja, was passieren kann.“ Dann holt sie ein Bild ihrer Mutter und umarmt es. Ihr Bruder Alden scheint noch nicht begriffen zu haben, dass er seine Eltern nie wieder sehen wird. Tante Fe Peregrimo tut ihr Bestes: „Ich konnte nur die Beiden bei mir aufnehmen. Die anderen fünf Geschwister sind woanders untergekommen. Hilfe von der Regierung bekomme ich nicht.“ Die Ironie der Geschichte: Auch ihr Neffe ist vermummt losgezogen und hat getötet. „Vigilantes“ nennen sich die selbsternannten Bürgerwehren, die nachts auf Dealerjagd gehen. „Er hat gedacht, er tut das Richtige“, versucht es Tante Fe mit einer Erklärung, „schließlich hat der Präsident persönlich dazu aufgefordert.“
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Viele Kinder sind traumatisiert und benötigen eine Therapie: Das Foto zeigt die Waisenkinder Alden und Linda mit Bildern ihrer ermordeten Eltern.
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Unter dem Namen Rise Up for Life and for Rights hat sich eine Gruppe von Kirchenleuten, Opfern, Menschenrechtlern und Anwälten formiert. Ihr Sprecher ist der junge katholische Priester Gilbert S.Billena(38): „Wir sehen die Leute als Patienten, nicht als Kriminelle. Wir fordern eine Ende des Tötens und Wiedergutmachung für die Opfer und ihre Familien. Vor allen Dingen brauchen wir Hilfe für die vielen Waisenkinder, auch finanziell.“
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Es geht ein Riss durch die philippinische Gesellschaft. Immer mehr Familien sind betroffen von den Morden. Die Menschen merken, es kann jeden treffen. Opfer-Familien forder Vergeltung und werden von katholischen Ordensschwestern unterstützt.

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Protesveranstaltung am Denkmal der Nationalhelden Bantayog ng mga Bayani in Quezon City. Vor dem "Wall of Remembrence" demonstrieren verschiedenen Menschenrechtsgruppen gegen Willkür und Unterdrückung des Duterte Regimes. Unter den Teilnehmern sind auch Lumads in traditioneller Kleidung, eine indigene Minderheit aus Mindanao. Das Denkmal wurde nach der EDSA Revolution und dem Ende der Terrorherrschaft von Diktator Ferdinand Marcos gebaut.
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Der 40jährige Tricycle-Fahrer Salvador Lucasia kam der Aufforderung der Behörden nach und stellte sich der Polizei, zwei Wochen später war er tot. „Dadurch kannten sie sein Gesicht“, erzählt Mutter Irma Lucasia(61). „ Die Polizei hat das Shabu selbst mitgebracht. Dann haben sie ihn erschossen.“

Irma Lucasia hat sich „Rise up for Life“ angeschlossen
und ist eine der Klägerinnen der Sammelklage
gegen Präsident Duterte vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
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Opferfamilien 02

Familie Robles hält Totenwache am Sarg ihrer Tochter, Mutter und Schwester Jackilou Robles, 35, im Barangay Tangos im Fischereihafen von Navotas, der Heimat der Eltern,
ein Slum am Meer inmitten von Abfällen und Plastikmüll. Die Männer hier sind Fischer und gehören zu den Ärmsten des Landes, denn vom Fischfang kein niemand mehr seine Familie ernähren. Mutter Rosanna versichert, mit der Operation Tokhang und Drogen habe ihre Tochter nichts zu tun. Sie wurde versehentlich erschossen.

Ziel der maskierten Männer in der Nacht zum 25.Januar 2018 im Stadtteil Cavite war eigentlich ihr drogensüchtiger Ehemann Jefferson. Doch der bemerkte wie jemand an der Tür rüttelte, sprang rechtzeitig aus dem Fenster und floh. Stattdessen wurde Jackilou von fünf Kugeln durchsiebt, denn sie schlief für den Mörder unsichtbar unter einer Decke neben ihrem siebenjährigen Sohn Renc. Ehemann Jefferson ist untergetaucht. Jackilou hinterlässt die fünf Kinder Kurt (3), Ramilin (5), Renc(7), Junis(12) und ihre schwangere Tochter Michelle Silvia(18), die nun bei den Großeltern in Navotas wohnen.
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Das Viertel am Fischereihafen ist ein weiterer Hotspot im Kampf um Drogen. Die meisten Menschen leben vom Fischfang und von der Weiterverarbeitung von Meerestieren. Die Einkommen reichen zum Überleben, mehr aber auch nicht. Für die am Wasser lebenden Bewohner sind weitere Bedrohungen dazu gekommen: Der steigende Meeresspiegel und die immer heftiger werdenden Taifune.
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Am Morgen des 5.November 2016 brachte Claudett M.Mabala ihre dreijährige Tochter Juliana in das Haus ihres Onkels, damit sie in Ruhe ihrer Hausarbeit nachgehen kann. Der betreibt ein Internet Café am Meer, wo Jugendliche und Kinder in ihrer Freizeit für ein paar Pesos Computerspiele spielen. Juliana schaute ihrer sechsjährigen Cousine Monica dabei neugierig über die Schulter. Plötzlich gab es einen Tumult: Ein junger Mann stürmte ins Internet Café und versteckte sich zwischen den Kindern im Glauben dort sicher zu sein. Ein großer Irrtum! Ein zweiter Mann kam durch die Tür und feuerte drei Schüsse aus einer 45mm Pistole ohne Rücksicht auf die Kinder. Die kleine Juliana wurde in die Brust getroffen, der Gejagte kam mit einem Schuss in den Arm davon. Der Täter ist ein bekannter Drogendealer, der ausstehende Zahlungen seines Konsumenten eintreiben wollte. Er wurde sofort festgenommen und sitzt seitdem im Gefängnis.









Die dreijährige Juliana (rechts im Bild auf ihrem Grab) verstarb auf dem Weg ins San Isidro Krankenhaus. Sie wurde am 16.November 2016 auf dem Aglipay Friedhof beigesetzt.
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Der bekannte Drogendealer Pablo Cabangon sen.(46) wurde am 2.Dezember 2016 zwischen acht und neun Uhr abends in seiner Slumhütte erschossen. Zwanzig Polizisten und einige Vermummte nahmen an der Aktion im Rahmen Operation Tokhang im Viertel teil. Pablo Cabangon war nur einer von vielen, die an diesem Abend in der Nachbarschaft erschossen wurden. Er hinterließ zwei Töchter und mehrere Enkelkinder. Tochter Princess Ann Cabangon erlebte den Mord ihres Vaters Pablo (46) am 2.Dezember 2016 kurz nach acht Uhr abends live am Mobiltelefon:

„Als der Mord geschah, war ich in der Provinz Bataan. Da rief mich eine Nachbarin an, dass unser Haus von der Polizei und von maskierten Männern durchsucht wird. Während des Telefongesprächs konnte ich hören, wie die Polizei meinem Vater befahl, die Tür zu öffnen. Ich hörte auch, wie sie mit großen Hammern die Tür aufschlugen. Als er die Tür öffnete, hörte ich einen Schuss und weinte. Dann rief ich meine Schwester an, die schon vor Ort war. Ich hörte einen zweiten Schuss, der meinen Vater in den Kopf traf, und einen dritten in den Rücken. Dann arrangierten die Polizisten den Tatort und reinigten die Spuren, so dass keine Kugeln gefunden werden konnten. Insgesamt nahmen zwanzig Polizisten und einige Vermummte an der Aktion teil. Ja, unser Haus war bekannt dafür, dass hier Drogen verkauft wurden.“
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Der Jeepney-Schaffner Joel Mangalindan (41) machte seine Mittagspause am 7.August 2016. Nach dem Essen duschte er und trat vor die Tür der Wellblechhütte. Sie war von vierzehn Polizisten umstellt. Joel nahm die Hände hoch und ergab sich, die Polizei forderte Frau und Kinder auf, umgehend das Haus zu verlassen. Zwei der Polizisten brachten Joel wieder ins Haus. Sohn Jay (15) hörte drei Schüsse und beobachtete ein paar Minuten später, wie sie seinen sterbenden Vater wegtrugen, direkt zum Bestatter, der in der Nähe mit seinem Leichenwagen wartete. Der Junge ist seitdem schwer traumatisiert und versteckt sich vor jedem Fremden, der sich dem Haus nähert. Er schilderte die Szene seiner Oma Neneng (63), die sich nun um die sieben Kinder kümmert, denn Mutter Elizabeth(37) verließ das Land, um als Hausmädchen in Kuwait Geld für die Familie zu verdienen. Auch Joels Bruder Sonny Mangalindan(45) wurde noch am selben Tag bei der Operation Tokhang erschossen.
(Nachtrag: Die Mutter ist mittlerweile wieder zu Hause. Sie wurde von ihrem Arbeitgeber in Kuwait vergewaltigt und ist schwanger.)
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Tondo

Für alle hier gezeigte Personen insbesondere der Kinder gibt es ein explizites Model Release der Erziehungsberechtigten oder der Hinterbliebenen. Alle Opferfamilien haben den ausdrücklichen Wunsch nach Wiedergutmachung und Gerechtigkeit für ihre ermordeten Familienangehörgen. Ich hoffe, das meine Dokumentation dazu beitragen kann, dass die Familien oder Kinder irgendwann einmal ihren Anspruch auf Entschädigung, auch finanzieller Art durchsetzen können.

© Hartmut Schwarzbach, Hamburg Germany
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